Ohne Innovation werden weitere Emittenten verschwinden

Die Emittenten von strukturierten Produkten fokussieren auf den Absatz von Barrier Reverse Convertibles, die dank des hohen Coupons bei Investoren beliebt sind. Gegen zehn Emittenten buhlen um die Kunden. Deshalb war vergangenes Jahr ein Angebot von jeweils weit über hundert neu lan­cierten Barrier Reverse Convertibles, die gleichzeitig zur Zeichnung auflagen, keine Seltenheit. Der Konkurrenzkampf ist hart.

Noch wird der Vertrieb dieser Produktgattung vor allem über öffentliche Emissionen vorangetrieben, meist mit einer Kotierung an der Derivatbörse SIX Structured Products Exchange (SSP-X). Der Klassiker sind Barrier Reverse Convertibles auf Nestlé , Novartis und Roche  Das bestätigt Manuel Dürr, Leiter Public Solution von Leonteq: «Das grösste Interesse bezog sich letztes Jahr auf die drei Schweizer Evergreens.» Bei der UBS  bestand die grösste Nachfrage im Primärmarkt allerdings nach einem Produkt mit einem Coupon von 18,5% auf die Basiswerte Novartis, Roche und das US-Biotech-Unternehmen Vertex, meldet Robin Lemann, Leiter Public Distribution UBS.


Marktplatz und Preiskampf

Auf dem Vormarsch ist der Vertrieb via elektronische Strukturierungsplattformen (vgl. Seite 5). Dabei können Anleger die Konditionen – etwa die Höhe der Barriere – variieren und dann das gewählte Produkt auf einer ­Online-Plattform erwerben. Das war bisher vor allem bei einzelnen Emittenten möglich. Der Grossteil der Abschlüsse sind ebenfalls Barrier Reverse Convertibles oder aber FX Dual Currency Deposits für Anlagen in Währungen.

Der Vertrieb solch individueller, massgeschneiderter Produkte wird seit 2014 vor allem auch über Multi-Issuer-Plattformen forciert. Der Platzhirsch unter diesen elektronischen Marktplätzen mit mehreren Anbietern ist Deritrade der Bank Vontobel Letztes Jahr sind mit UBS und der Deutschen Bank zwei weitere Emittenten zu Deritrade gestossen, zudem wurde ZKB für 2015 als neuer Emittent angekündigt.

Damit hat der Anleger auf einer Plattform die Auswahl zwischen sechs Emittenten, da seit 2013 auch Morgan Stanley und Société Générale Produkte offerieren. Patrick Stettler von Deritrade sagt: «Gerade dem wachsenden Kundenbedürfnis nach Transparenz können sich auch die Privatbanken nicht entziehen, weshalb das Interesse an der Plattform steigt.»

Ausser Vontobel hat Ende des vergangenen Jahres auch die Commerzbank eine Multi-Issuer-Plattform ausgerollt. Noch wurden jedoch keine Emittenten als Partner bekanntgegeben. Zudem arbeiten gemäss Reuters weitere Anbieter an solchen Marktplätzen. Das wird den Preiskampf weiter anheizen.

Deshalb ist eine Konsolidierung im öffentlichen Vertrieb von Barrier Reverse Convertibles zu erwarten. Zu begrüssen wäre es, wenn sich Deritrade selbständig machen würde und unabhängig von der Bank Vontobel als eigenes Fintech-­Start-up-Unternehmen agieren könnte.

Bereits vor rund drei Jahren hat die Konsolidierung im Markt für Hebelprodukte eingesetzt. Dort haben sich einige Emittenten zurückgezogen, etwa die Basler Kantonalbank, oder sie bieten – wie Goldman Sachs – nur noch ausserbörslich Produkte an.

Trendfaktor mit Hebel

Der Umsatz mit Hebelprodukten war 2014 erneut rund 10% rückläufig. Einzig Faktorzertifikate stemmten sich gegen den Trend. Der Pionier Commerzbank erzielte einen Umsatz von knapp 450 Mio. Fr. Gemäss Andreas Stocker, Produktmanager bei Commerzbank in Zürich, sind vor allem Hebel-5-Produkte auf Credit Suisse und Transocean sehr gut gelaufen.

Seit dem vergangenen Frühling ist auch die Bank Vontobel in Faktorzertifi­katen aktiv. Eric Blattmann, Leiter Public Distribution, zeigt sich zufrieden: «Bei der von uns neu angebotenen Produktgattung konnten wir innerhalb von nicht einmal einem Jahr einen Marktanteil von 25% entwickeln.» Bank Vontobel ist ansonsten vor allem stark im Absatz von klassischen Hebelprodukten wie Warrants (Optionsscheinen), Knock-out Warrants und Mini Futures und ist dort Marktführer.

Für den börslichen Derivatumsatz entstand jedoch Konkurrenz, und zwar vom ausserbörslichen Direkthandel zwischen Anlegern und Emittenten. Diesen Trend sah auch die Commerzbank; sie hat sich 2014 der ausserbörslichen Derivatplattform Swiss Dots des Online-Brokers Swissquote angeschlossen. Ausser Goldman Sachs und UBS bietet die Commerzbank jetzt dort als dritter Emittent Produkte an, der Start wird positiv beurteilt.

«Swiss Dots ist gut angelaufen», sagt Stocker. Die verschiedenen Produkttypen, das Universum der Basiswerte und somit auch die Anzahl Produkte würden weiter ausgebaut. Das Angebot soll in den kommenden Monaten von rund 5000 auf 20 000 Produkte erweitert werden. Damit werden auf Swiss Dots insgesamt über 50 000 Hebelprodukte – vor allem Warrants – angeboten.

Ein weiterer Emittent von Hebelprodukten war vorwiegend mit der Integration und der Automatisierung beschäftigt, wie Florian Stasch von BNP Paribas gegenüber «Payoff» bestätigt. Anfang 2014 hat Royal Bank of Scotland (RBS) das Geschäft mit strukturierten Pro­dukten an BNP Paribas verkauft. Dort ist nun im November das Market Making (das Stellen von Geld- und Briefkursen) in der Schweiz angelaufen. In den ­kommenden Monaten will der Emittent seine weiteren Pläne verkünden. Allerdings hat BNP die Faktorzertifikate der RBS nicht übernommen – wohl aufgrund fehlender Automatisierung. Somit wurden die sechzehn Produkte gekündigt. RBS war vor ­allem stark im Vertrieb von Mini Futures. Dieses Geschäft dürfte auch von BNP ­Paribas für die Schweiz forciert werden.

Neuerungen gewünscht

Nicht nur der neue, sondern auch alle bestehenden Emittenten müssen für 2015 einen Zahn zulegen. Das ist dringend nötig, da das Umfeld alles andere als gut ist. Niedrigere Zinsen und regulatorische Anforderungen werden den Absatz strukturierter Produkte bedrängen.

Der Mangel an Neuerungen hat sich beispielsweise auch an der jeweils im Frühling stattfindenden Verleihung der Swiss Derivative Awards gezeigt. 2014 ging der Spezialpreis an den Autor dieses Artikels und seinen Branchenblog Finanzprodukt.ch. So ehrenvoll die Auszeichnung ist, belegt dies doch ein eher wenig innovatives Treiben der Branche.

Es ist zu hoffen, dass im laufenden Jahr unter den Emittenten ein Innovationsschub einsetzt, besonders in neuartigen Absatz- und Marketingkanälen. Beispiele dafür wären eine innovative Digital-Content-Marketing-Strategie oder ein Online-Kundendialog. Nur dadurch ist es möglich, sich von Konkurrenten abzugrenzen.

Ebenfalls müssen sich die Marketing-Verantwortlichen mal dringend ihre Inserate überdenken, wie FUW Redaktor Philippe Béguelin im Editorial zur Beilage ebenfalls schreibt:

„Kein frischer Wind weht in der Werbung. «Der erste Eindruck zählt.» Diesen Grundsatz sollte sich die Derivatbranche zu Herzen nehmen, wenn sie neue Kunden davon überzeugen will, dass strukturierte Produkte sinnvoll sind. Der Kundenberater kann anfängliche Skepsis mit einer guten Erklärung auffangen. Im Marketing zählt der erste Eindruck. Im Boom 2006 und 2007 ­genügte es, eine vereinfachte Produktbeschreibung (Termsheet) als Annonce abzudrucken, die Zertifikate gingen weg wie warme Semmeln. Aber auch heute noch ähneln Anzeigen oft allzu sehr Termsheets. Diese sind gerade für Neueinsteiger kryptisch, sie dürfen nicht einmal ansatzweise als Grundlage für Werbung ­verwendet werden. Die Verantwortlichen sollten sich ein Beispiel nehmen an den umtriebigen Finanzingenieuren und tüfteln, bis sie mit einem Auftritt neue Massstäbe setzen – weltweit.“

Dieser Artikel erschien in der Strukturierte Produkte Beilage der Finanz und Wirtschaft vom 31.1.2015.

Die ganze FuW Beilage kann HIER angeschaut werden.

2 Kommentare

  1. […] Ohne Innovationen werden weitere Struki-Anbieter verschwinden, Finanzprodukt.ch […]

  2. […] zum Selberbauen via Smartphone App. Schweizer Finanzprodukt Emittenten zeigen sich damit endlich wieder Innovativ. Aber gehen wir der Reihe […]

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