Genialer Blogbeitrag und Erlebnisbericht von der Fondmesse vom Swisscanto-Portfoliomanager und Leiter Obligationen Bruno Weber:
Im ersten Quartil sonnt man sich und signalisiert aggressive Bonusvorstellungen. Im zweiten Quartil fühlt sich der Portfoliomanager wohl, hält sich aber mit Starallüren zurück. Im dritten Quartil beginnt die Sinnkrise. Denn während ein durchschnittlicher Zahnarzt schamlos CHF 3.90 pro Taxpunkt einfordert, muss ein Dritt-Quartil-Portfoliomanager seine Daseinsberechtigung im Zeitalter von ETF rechtfertigen. Das vierte Quartil ist für den Swisscanto Blog natürlich nicht relevant. Zumindest in der Disziplin “der undankbarste Job” liegen Portfoliomanager permanent im ersten Quartil.
Ich schätze, unser Ranking liegt kurz hinter den Dentalhygienikerinnen. Zwar begegnen uns unsere Kunden nicht mit angst-verzerrtem Gesicht und offenem Mund, wer aber positives Feedback und Wertschätzung braucht, sollte sich einen anderen Job suchen. Es hat sich beispielsweise noch nie ein Kunde bei mir telefonisch gemeldet, um sich dafür zu bedanken, dass wir sein Vermögen schadlos durch die Lehman- und Eurokrise gesteuert haben (weiss der, wieviel schlaflose Nächte uns das gekostet hat?). Umgekehrt suchen Anleger, Consultants, Vertriebspartner, Risikomanager und Vorgesetzte den Kontakt, wenn die Performance einmal nicht so gut aussieht.
Ich will mich aber jetzt nicht beklagen, denn diese Tage läuft die Fondsmesse. Einmal im Jahr gibt uns die Industrie eine Plattform, auf der wir im Rampenlicht stehen dürfen. Besonders gute Portfoliomanager geniessen an der Messe sogar Star-Status. Ich freue mich jedes Jahr darauf, als wäre es Weihnachten! Und wie ist die Bilanz dieses Jahr? Habe ich an der Fondsmesse die Wertschätzung und Streicheleinheiten erhalten, welche mich für den Rest des Jahres am Laufen halten? Nun, ich würde sagen, die Bilanz ist gemischt.
Einerseits werden im Rahmenprogramm der Messe Industrie-Awards für die besten Fonds vergeben. Auch wir haben wieder einige Auszeichnungen erhalten, und aus dieser Sicht bin ich eigentlich zufrieden. Es geht ja nicht um den Award an sich, denn physisch betrachtet handelt es sich um Kunststoff-Trophäen mit beschränktem ästhetischem Wert. Es ist auch nicht so ganz klar, wie die Awards im Kundenkontakt eingesetzt werden dürfen. Scheinbar müsste Swisscanto den auszeichnenden Stellen einen signifikanten Betrag überweisen, um das Award-Logo in Marketingmaterial verwenden zu dürfen. Die Sache erinnert mich irgendwie an die AAA-Ratings von CDOs. Um sicher zu gehen, lagern wir die Awards in unserem Team-Aquarium und zeigen dann den Kunden lediglich eine Foto von unseren Fischen. Der vorletzte Award datiert von vorgestern:
Der Award im Büroaquarium
Andererseits geht es bei der Messe ja in erster Linie um den direkten Kundenkontakt. Bei Swisscanto läuft die Sache unter der Rubrik “Meet the Manager”. Ich habe gestern also ein frisch gebügeltes weisses Hemd angezogen, mich in den adretten dunkelblauen Anzug geworfen, mir eine nette Krawatte um den Hals geschlungen und die braunen Lederschuhe poliert. Dann habe ich mich an den Messestand von Swisscanto begeben und mich auf viele herzliche Kundenkontakte gefreut. Die Ausbeute war bescheiden. Hätte ich eine Strichliste geführt, wäre ich auf 1.5 Kundenkontakte gekommen. Der halbe Kontakt war ein Interview mit einer italienischen Zeitschrift. Das Interview bestand darin, dass eine hübsche junge Dame eine kleine Videokamera vor mir platzierte und mich bat, irgend etwas [sic!] zum Thema Fixed Income zu sagen. Nach 20 Sekunden war das Interview zu Ende. Der andere Kontakt war ein Gespräch mit einer freundlichen Dame, welche bereits in einem unserer Fonds investiert ist und von mir wissen wollte, ob sie die Position aufstocken soll. Offensichtlich kann ich eine solche Frage nicht beantworten und ich war mir darum während des ganzen Gesprächs nicht sicher, ob die Dame in ihrer Handtasche nicht auch eine Kamera versteckt hielt und meine Aussagen im nächsten K-Tip von einem Juristen zerpflückt würden. Ich habe der Dame sachliche Informationen zu unseren Fonds gegeben. Das Gespräch dauerte 10 Minuten. Totaler Kundenkontakt 10 Minuten und 20 Sekunden auf eine Präsenzzeit von 2.5 Stunden.
Meine Schlussfolgerung: Die Klassierung unseres Berufstands im 1. Quartil wurde insgesamt bestätigt. Zwar können wir uns an der Fondsmesse mit Vorträgen und Awards etwas anderes vormachen, aber in der Wahrnehmung des breiten Publikums sind Portfoliomanager keine Stars. Die Energie für meinen Job hol ich ab morgen aus meinem Urlaub. Und am 14. März habe ich den nächsten Termin bei meiner Dentalhygienikerin.
Link zum Orginalartikel: http://blog.swisscanto.ch/2013/02/07/meet-the-manager/
Der Artikel wurde mit Erlaubnis der Swisscanto veröffentlicht.
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