Ein neues Online-Tool des Schweizer Startups Bancavista zeigt detailliert auf, wohin die persönlichen Ausgaben fliessen. Wir haben den Gründer Gian Reto à Porta zum Interview getroffen.
1)Wie seid ihr auf die Idee gekommen für bancavista.com? (renamed in 2014 to Contovista)
In einer Diskussion unter Freunden sagte mein Co-Founder Nicolas Cepeda, er habe keine Ahnung wofür er Monat für Monat sein Geld ausgibt. Alle bestätigten dieses Problem. Dies gab mir zu denken. Nach dieser Diskussion habe ich zusammen mit Nicolas das Potential eines PFM Tools für die Schweiz analysiert. Wir kannten Mint.com und fragten uns, warum es ein solches Tool in der Schweiz nicht gibt. Nach unserer Analyse haben wir festgestellt, dass das Mint.com-Modell nicht so einfach auf andere Länder übertragbar ist. Die Kategorisierung der Transaktionen und die Schnittstellen zu den Banken sind national sehr unterschiedlich.
2)Kann man also sagen, ihr bringt das Mint.com Modell in die Schweiz?
Unterdessen wollen wir weitergehen als bloss das Mint.com Modell in die Schweiz zu bringen. Unsere Vision ist es, das Banking einfach und transparent zu machen. Banking sollte nicht etwas mühsames sein, sondern sollte uns helfen bessere Entscheidungen zu treffen.
„Wir sind ein Schweizer Startup und bauen einen Service für Schweizer Kunden auf.“
3)Personal Finance Management scheint international eines der Top-Themen für 2013 zu sein und weltweit entstehen mehrere solche Plattformen. Wie seht ihr die Entwicklung?
Nach dem viele Industrien durch das Internet stark verändert worden sind, ist dies in den nächsten 2-5 Jahren auch für die Bankenindustrie zu erwarten. PFM ist eine Ausprägung davon. Weitere sind Online Banken wie Simple.com oder Moven.com. Im Bereich des Zahlungsverkehrs tut sich derzeit auch einiges. Sei es Möglichkeiten zu bezahlen (Paypal, PayPass, Google Wallet) oder um Zahlungen zu empfangen (Square). Setzt sich eine dezentrale Währung wie Bitcoin durch, werden auch VISA, MasterCard und Co reagieren müssen. Wir können mit unserem Modell von all diesen Entwicklungen profitieren und wollen die Kundenbedürfnisse der Schweizer in diesen Bereichen abdecken.
Allgemein gehen wir davon aus, dass die gesamte Industrie viel Kundenfreundlicher wird. Bisher wurde in der Branche vor allem dann Geld verdient, wenn der Kunde Fehler gemacht hat (z.B. mit Überzugsgebühren, falsche Zahlungen) oder indem man dem Kunden Geld weggenommen hat(versteckte Gebühren, Transaktionsgebühren). Zu diesem Thema haben wir bereits an der Universität geforscht und publiziert. Unserer Meinung nach sollte eine Bank Geld verdienen wenn sie ihren Kunden hilft die richtigen Entscheidungen zu treffen und das Geld zu vermehren.
„Bisher wurde in der Branche vor allem dann Geld verdient, wenn der Kunde Fehler gemacht hat“
4) Schweizer sind naturgemäss sehr zurückhaltend, wenn es um ihre Bankkonten geht. Wie stellt ihr sicher, dass die User auch ohne Sorge Informationen zu Kreditkarten und Bankkonten an euren Service anbinden?
Indem wir unseren Service mindestens so sicher gestalten wie man es sich von Banken-Applikationen gewohnt ist.
5)Services wie der Zahldienst Sofortüberweisung.de haben sich in der Schweiz nicht durchgesetzt, warum soll das bei eurem Tool anders sein?
Wir sind ein Schweizer Startup und bauen einen Service für Schweizer Kunden auf. Unser Team hat viel Erfahrung in der Entwicklung von kundenfreundlichen Webapplikationen. Wir hören genau hin was unsere Kunden wollen und können schnell auf Bedürfnisse reagieren. Das Feedback, das wir bis anhin erhalten haben stimmt uns sehr positiv.
„Falls wir nicht reagieren, besteht die Gefahr, dass die Schweiz in der Paradedisziplin „Banking“ vom Ausland überholt wird“
6)Bis wann wollt ihr alle Banken angeschlossen haben und wie steht es um das Bankgeheimnis?
Dies hängt vor allem von den Banken selbst ab. Einige Banken haben bereits Interfaces um Transaktionsdaten abzuholen, andere noch nicht. Grundsätzlich gehören die Transaktionsdaten den Kunden und diese können selber entscheiden wo sie die Daten speichern wollen. In diesem Bereich haben wir in der Schweiz grosses Aufholpotential gegenüber anderen Ländern in Europa (siehe HBCI in Deutschland oder das Open Bank Project). Falls wir nicht reagieren, besteht die Gefahr, dass wir in der Schweiz in unserer Paradedisziplin „Banking“ vom Ausland überholt werden.
7)Wieso seid ihr in der jetzigen Phase schon an die Öffentlichkeit gegangen, geht es derzeit auch um Fundraising oder geht es auch darum Druck auf die Banken zu machen?
Einerseits ist uns bereits in dieser Phase das Feedback der Kunden sehr wichtig. Wir achten bei der Entwicklung der Applikation stark darauf was unsere Kunden wollen bzw. welche Funktionen ihnen am meisten helfen die privaten Finanzen möglichst effizient zu verwalten. Andererseits braucht es bei gewissen Banken auch etwas Druck um eine Veränderung zu erzwingen.
8)Besteht nicht die Gefahr, dass die Banken Euer Modell kopieren und die Daten darum nicht an euch weitergeben?
Bietet eine Bank einen solchen Service an, ist dies nur für die Kunden nützlich, die alle Transaktionen über diese eine Bank abwickeln. Leider ist es aber so, dass sogar die Kreditkartentransaktionen der bankeigene Kreditkarten nicht im bankeigenen Tool angezeigt werden können. Ein weiteres Argument für unser Service ist die Möglichkeit eines Bankwechsels. Will ein Kunde die Bank wechseln, würde er alle wertvollen Daten verlieren wenn der Service bei der Bank ist.
Dazu stellt sich die Frage, wie schnell eine Bank auf neue Kundenbedürfnisse und neue Technologien reagieren kann. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Banken hier eher bescheiden performen. Das Entwickeln und Verwalten von Kundenfreundlichen Web-Applikationen ist nun mal nicht die Kernkompetenz einer Bank.
Die Gefahr, dass eine Bank die Daten nicht weitergibt können wir umgehen, indem unsere Kunden immer die Möglichkeit haben werden die Transaktionsdaten manuell bei uns hochzuladen. Ein Kunde der unseren Service benutzen will, wird sich aber eher für eine Bank entscheiden die eine direkte Schnittstelle hat.
„individualisierte Sparvorschläge“
9)Wie wollt ihr Geld verdienen?
Einerseits durch Partnerschaften mit Banken und anderseits indem wir den Kunden individualisierte Sparvorschläge machen.
9.1) Ist es in dem Fall auch geplant Behavioral Targeting (ausgaben-spezifische) Werbung auf der App zu schalten?
Es werden Sparvorschläge sein, die der Kunde selber konfigurieren kann. Wir werden unseren Kunden aufzeigen, wie sie Geld sparen können. Das funktioniert ähnlich wie bei comparis.ch, bloss dass wir bereits wissen, wo unsere Kunden das grösste Sparpotential haben. Wir verdienen also nur dann Geld, wenn wir unseren Kunden helfen Geld zu sparen.
10) Welche Services sind sonst noch geplant?
Wir haben viele Ideen für neue Services. Wir sind z.B. dabei eine Archiv-Funktionalität für wichtige Dokumente zu entwickeln. Wenn Sie in Zukunft ein Produkt kaufen für das Sie eine Garantie erhalten, müssen sie diese nur noch mit unserem Mobile-App fotografieren. Die Garantie wird automatisch der richtigen Transaktion zugeordnet und archiviert. Der Kunde kann die Garantie sofort finden falls er diese braucht und sieht dazu noch die Transaktionsdetails zur Zahlung. Dasselbe gilt für Spesen und Spesenquittungen. Die Transaktionen werden einfach als „Spesen“ markiert. Ende Monat kann mit einem Klick eine Spesenabrechnung erstellt werden. Für WG’s, Gruppen und Vereine werden wir Gemeinschaftsabrechnungen anbieten. Wenn alle Beteiligten unseren Service benutzen und die Transaktionen entsprechend markiert werden (z.B. Ausgaben für WG) können wir Ende Monat automatisch eine Abrechnung erstellen.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg.
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