Big Data in der Finanzwelt ist Realtime; Hashtag Crashes und Kursvorsprung dank Twitter und Co. Teil 2/2

Im ersten Teil ging es um die Grundlagen von Big Data und wie dies unser Leben verändern wir. Im zweiten Teil geht es um Twitter, Big Data und Algorithmen an der Wallstreet.

Gerade der Blick in die Zukunft macht Big Data auch für den Finanzsektor interessant: Trends früh erkennen und Kurse mit einer hohen Wahrscheinlichkeit vorhersagen. Längst geht es nicht mehr darum, Erklärungen für bereits Gelaufenes zu finden, sondern zu deuten, was gerade passiert.

Big Data in der Finanzwelt ist realtime / Social Sentiment Trading

«Bei der Kapitalanlage ist Big Data die einzige Chance für ein echtes Alpha. Alpha gibt es nur, wenn man öffentliche Informationen zuerst hat. Hier entscheiden fünf bis sieben Nanosekunden», weiss Alexis Eisenhofer von financial.com, einem Anbieter von Börseninformationssystemen.

Dafür werden das Internet und seine sozialen Nachrichtenkanäle in Echtzeit umgegraben. Firmen wie RavenPack, Clueda oder StockPulse machen das. «Big-Data-Systeme helfen, die Informationsverbreitung durch Social-Media-Kanäle wie Twitter enorm zu beschleunigen», glaubt Stock-Pulse-Gründer Jonas Krauss. «Informationen stehen der Allgemeinheit schneller zur Verfügung, da diese Kanäle für jedermann leicht zugänglich sind. Bereits heute werden je nach Börsenplatz mehr als 70 Prozent aller Orders von Computern initiiert.

Dieser Anteil dürfte durch Big Data weiter wachsen.» StockPulse durchwühlt massenhaft Tweets nach Brauchbarem. Um einen Sentiment-Indikator zu erstellen, werden täglich 80 Gigabytes Daten bewegt. Clueda will nach eigenem Bekunden durch intelligente Komprimierung von Informationen Nachrichtenquellen so miteinander verknüpfen  dass Einflüsse auf das Finanzmarktgeschehen im Moment ihrer Entstehung – oder häufig schon davor – richtig erfasst werden. Damit könne sofort darauf reagiert werden. Ein hoher Anspruch. Zukunft schon heute. Google-Aufseher Schmidt hat es einmal so formuliert: Es gehe bei der Suche im Internet um Inhalte «von denen ich nichts weiss, aber die mich interessieren».

Twitschern an der Wall Street

Nun twittert die Wall Street. Die New York Stock Exchange arbeitet seit Februar dieses Jahres mit dem amerikanischen Unternehmen Social Markets Analytics (SMA) zusammen. Auch SMA durchkämmt Twitter systematisch nach börsenrelevanten Informationen. Rund 90 Prozent aller Tweets werden sofort als Spam aussortiert. Wurden die Guten gefunden, dann wird daraus ein «Sentiment Signature Feed» für die Kunden gesponnen, ein Börsenindikator, natürlich in Echtzeit. Eisenhofer definiert Big Data über die vier Vs: Volume, also Menge, Velocity – Geschwindigkeit Variety – Struktur und Veracity – Wahrhaftigkeit. «Die grössten Probleme bei Big Data im Finanzbereich sehe ich beim Thema Wahrhaftigkeit.

Twitter beeinflusst die Börse

Viele Informationen sind mit Interessen überlagert, die man verstehen muss und nicht mit Maschinen auslesen kann.» Noch nicht. Wahrhaft schlecht lief es am 23. April 2013 an der Wall Street. Da gerieten aus dem Nichts die Kurse ins Rutschen. Geschätzt sollen binnen Minuten knapp 140 Milliarden Dollar vernichtet worden sein. Die Verluste waren allerdings schnell wieder aufgeholt. Der Kurseinbruch wird auch Hashtag-Crash genannt. Der Auslöser: «Zwei Explosionen im Weissen Haus und Barack Obama ist verletzt.» Diese Meldung lief an jenem Dienstagabend über den Twitter-Kanal der angesehenen Nachrichtenagentur Associated Press (AP). Die Börsianer reagierten augenblicklich. Später stellte sich die Nachricht als Fake heraus. Der Twitter-Account von AP war gehackt worden. Ein Algorithmus müsste in Sekundenbruchteilen eine solche Meldung überprüfen und dann entscheiden, ob relevant oder nicht relevant. Hier steht Big Data noch am Beginn.

Es müssen aber nicht unbedingt Hacker sein. Es wurden auch schon Twitter-Accounts unter dem Namen von bekannten Börsenbeobachtern eröffnet und dann getwittert. Kam es zur entsprechenden Reaktion in der Aktie, wurde glattgestellt. Bei StockPulse macht man sich nicht mehr die Mühe, nach Fakes zu fahnden: «Wir unterscheiden zwischen klassischem Spam und Fakes. Spams werden aussortiert, Fakes nicht. Unser System analysiert den Einfluss eines Fake-Tweets, also ob dieser Tweet einen Einfluss auf das Marktgeschehen hat oder haben kann. So kann es sein, dass ein Fake-Tweet, wie jene durch Hacker platzierte Falschmeldung über eine Explosion im Weissen Haus, trotzdem grosse Auswirkungen auf das Geschehen an den Börsen hat. Anders herum wird Spam mithilfe von Author-Scoring-und Textanalysen verlässlich gefiltert.»

Big Data in der Firmen-DNA

Big Data wird uns immer wieder überraschen, weil es uns immer mehr die Zukunft vor Augen führen wird und diese Zukunft dann wieder mit dem Jetzt verschwimmt und es damit wieder Rückkoppelungen geben dürfte. «Es ist klar, dass die Digitalisierung aller unserer Aktivitäten weiter zunehmen wird und bei all diesen Aktivitäten werden wir digitale Spuren hinterlassen. Das macht es möglich, zumindest theoretisch, jederzeit zu wissen, was wir machen und warum wir es machen.

Big Data wird darum unser ständige Begleiter  sein», ist Thomas Kindler von Teradata, einem Spezialisten im Bereich Big Data, überzeugt. Von den Grossen sind Firmen wie IBM, Amazon, Facebook und Google bereits sehr vertraut mit Big Data. Dort ist Big Data sozusagen schon tief in der Firmen-DNA verankert. Bei IBM durch seine Tätigkeit als globaler IT-Berater. Bei Amazon durch seinen gewaltigen Kundenschatz, das Wissen über seine Kunden, wie Kunden schon heute angesprochen werden, und seine Logistik. Hinzu kommt bei Amazon das Kindle als Informationstablet. Und Facebook und Google sind Big Data nahezu in Reinform. Ihr Geschäftsfeld ist das Sammeln von Daten ihrer Kunden.

Diese Daten werden heute zum Beispiel genutzt, um Werbung gezielt zu platzieren. Wer künftig etwas «liked» oder sonst irgendwie positiv erwähnt, dem wird dieses Produkt womöglich in einem anderen Shop schon beim Betreten angeboten oder er könnte dafür vielleicht einen Rabatt beim Kauf dieses Produkts oder dieser Dienstleistung bekommen. Big Data hätte die Vorlieben schon weitergegeben.

Der Artikel stammt von Scoach Schweiz Magazin.

Hier geht es zum ersten Teil

 

 

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